Suche
  • post[at]anker-im-alltag.de
Suche Menü

Ein einziges Licht genügt

Manche Prozesse dauern länger als erwartet. Sie winden sich um Ecken, an die wir vorher gar nicht gedacht haben und zeigen uns unsere eigenen Grenzen auf. Dass kein Prozess umsonst ist und dass am Ende alles bestimmt gut wird, darauf gehe ich in diesem Artikel ein.

„St. Michael den Drachen schlug“

Es ist bestimmt kein Zufall, dass ich am Michaelistag endlich einen neuen Artikel verfasse. Falls du es nicht weißt: Am Michaelistag wird allen Schutzengeln, darunter auch Erzengel Michael, in der katholischen Kirche gedacht. Es findet sowas wie ein erstes Erntedankfest statt, das auch die voran gegangene Herbst Tagundnachtgleiche mit einbezieht. Im Spirituellen gilt Michael als DER Beschützerengel, der mit seinem Schwert alles Niedere vertreibt. Und auch in der Waldorftradition hat das Michaelisfest einen besonderen Platz im Jahreskreis.

Der Legende nach hat St. Michael das Böse nach langem Kampf aus dem Himmel geworfen und sorgt auch weiterhin dafür, dass sich Licht und Schatten die Waage halten. Keine Sorge: Auch wenn du nichts mit „Kirche“ am Hut hast, kannst du gerne weiterlesen, denn es geht um das Bild, das hinter der Legende steht.

Was bleibt, was geht?

Seit es draußen dunkler wird, merke ich in meinem Umfeld, dass sich auch die Menschen um mich herum wieder mehr mit sich selbst beschäftigen. Die einen hängen die ersten Lichterketten auf, andere verbringen mehr Zeit um den Familientisch- es wird Suppe gegessen und Kerzen werden aufgestellt, und überhaupt wird alles viel heimeliger. Heim, Zuhause. Mehr „Innen“ statt „Außen“. Mensch bereitet sich auf die dunkle Jahreszeit vor.

Mit dieser Wendung nach Innen kommt unweigerlich die Rückschau auf das, was sich im bisherigen Jahresveraluf abgespeilt hat: Welche Ziele wurden erreicht? Wie ist es bisher gelaufen? Wie ist die (auch nicht-materielle) Ernte ausgefallen? Bleiben noch Dinge zu tun, Beziehungen zu klären? Was nährt und trägt in der kommenden dunklen Jahreszeit? Und was fehlt noch?

Der Prozess ist ein Prozess

Im besten Fall findet Jede*r eigene Antworten auf die Fragen, die sich da so zeigen. Man müsste die Zeitzeichen schon wirklich gekonnt verdrängen, um nicht die leise Stimme im Inneren wahrzunehmen, die auf das eine oder andere noch zu bearbeitende Feld hinweist. Aber gefallen die Antworten dann auch?

Ich selbst habe mich im Jahresverlauf in mehrere Projekte hinein begeben, die mir weder am Herzen liegen noch mich sonstwie glücklich machen. Andere Felder habe ich währenddessen vernachlässigt, obwohl ich doch von mir dachte, dass sie mir wichtig sind.

Heute beim Spaziergang wurde mir dann wieder klar, dass mein Herz andere Pläne hat als mein Ego. Wenn ich also von Herzen glücklich sein will, sollte ich mehr darauf hören. Ich darf mich also von einigen Dingen trennen, die mein Ego mir untergejubelt hat. Puh, das hat es ganz schön in sich.

Angst oder Liebe?

Diese Frage stellt sich bei allen wichtigen Entscheidungen: Mache ich etwas aus Angst oder weil ich denke, das muss man so tun? Oder entscheide ich mich aus Liebe für ein Herzensprojekt, auch wenn ich noch keine bewusste Idee darüber habe, wie ich das verwirklichen soll? Ja, ich fühle mich regelmäßig verwirrt, wenn es um solche Entscheidungen geht.

Da hilft nur eins: Still werden und in die (innere) Dunkelheit gehen. Ähnlich wie der große Erzengel muss ich dann entscheiden, was aus meinem inneren Paradies fliegt. Dieser Prozess gleich ein bisschen dem Dressieren eines Höllenhundes, denn natürlich macht sich mein Ego auch weiterhin stark für alles, was es angefangen hat. Das klingt dann vielleicht so im Inneren Dialog:

„Du musst unbedingt dieses Projekt weiter anbieten, es hat so wahnsinnig viel Geld eingebracht.“ Oder „Wenn du xy kontaktierst, kann er dir genau sagen welche Leute du kennen musst. Das wird dich total weiterbringen. Ist doch egal, ob du die magst.“ Oder auch „Deine Spiritualität ist deine Privatsache. Du kannst Kundinnen nicht damit kommen, das schreckt sie alle ab, und du wirst arm und erfolglos enden.“

Hör nicht auf das Biest

Kein Wunder, dass so manche sanfte Idee, die gerade erst im Keimen ist, von dieser harten Ansage eingeschüchtert ist und sich erstmal verkriecht. Ganz anders sieht es aus, wenn mein Herz zu Wort kommen darf: „Du hast total Freude daran, xy zu tun. Es ist nicht wichtig, ob du damit Erfolg hast.“ Oder „Du bist bei dieser einen Sache total im Flow. Ja, sie steht auf der gesellschaftlichen Beliebtheitsskale nicht auf Nummer eins, aber dich macht sie glücklich. Bleib dran.“

Ich tendiere derzeit dazu, mich immer seltener von der biestigen Erfolgsstimme leiten zu lassen. Die Härte und das Getriebensein dieses Weges haben mich lange begleitet, aber das will ich für mich nicht mehr. Ich möchte der Liebe und Freude mehr folgen, und dafür schaffe ich gerne Raum.

Vielleicht magst du dich ja auch immer öfter fragen, was dein persönliches Licht zum Strahlen bringt und was du dafür tun kannst, dass das nörgelnde Ego Ruhe gibt. Oder zumindest leiser ist. Nutze die Zeit, in der die Schatten draußen länger werden, doch mal dazu, dein Licht unterm Scheffel hervorzuholen.

Was bringst du in die Welt? Was schenkst du Anderen? Klar, vielleicht denkst du, es sind „immer noch genug Schatten“ da. Und wahrscheinlich fühlt es sich erstmal ungewohnt an, wenn du ganz ehrlich in dich reinhörst und dich in den Antworten, die da kommen, auch ernst nimmst. Aber es lohnt sich:

Ein Licht vertreibt die Dunkelheit. DU kannst dieses Licht sein. Für dich und für Andere. Probiere doch einfach mal aus, was passiert, wenn du dir erlaubst, zu leuchten. Von Herzen wünsche ich dir ganz viel Wärme dabei.