Morgens schon an Selbstliebe denken? Pah! Viel zu früh. Die Kinder. Der Hund muss raus. Nicht vor dem ersten Morgentee. Yoga?! Du spinnst doch.
Genau so ging es mir auch, als ich zum ersten Mal mit dem Begriff der Morgenroutine in Kontakt kam. Mein Tagesstart bestand bis dato daraus, mich übermüdet aus dem Bett zu quälen, die Kinder zu wecken, sie ins Bad zu treiben und mich irgendwie zwischen Frühstückmachen und „Mama, wo ist mein Turnbeutel!?“ fertig zu machen. Dann ging es zack zack auf die Arbeit, wo ich sofort (!) mit den Arbeiten des Tages begann.
Meine Kollegin (ich war damals noch fest angestellt) dagegen kam immer frisch aus dem Ei gepellt ins Büro, hatte schon die ersten Workouts hinter sich und war, dank alternativer Lebensführung, per Rad und Bus in die Stadt gekommen- natürlich inklusive vorherigem Stopp in der Elterninitiative, wo sie den Kleinen abgegeben hatte. Sie strahlte, plapperte los, war up to date…. Unmenschlich, oder?
Das wollte ich auch!
Als mir dann der Begriff der Morgenroutine begegnete, dämmerte mir, dass an einer gewissen Planung wahrscheinlich etwas dran war, und ich begann, das zu tun, was alle guten Planer tun: Ich beobachtete- mich selbst.
Die folgenden Fragen stellte ich mir (mittags, bei einer Tasse Tee, in einem ruhigen Moment):
- Wie sieht mein Morgen aus?
- Wer braucht morgens was von mir und wann?
- Wie viel Zeit haben wir für die Abläufe?
- Was nervt mich gewaltig?
- Was klappt schon gut?
- Was brauche ich eigentlich, um gut gelaunt in den Tag zu kommen?
Als ich so die Antworten sammelte, wurde mir klar, warum es morgens nicht klappte:
Ich hatte mir zu wenig Zeit gegeben, um zu viele Aufgaben zu erledigen, und an Vorbereitung mangelte es mir gänzlich.
Aus dem Blickwinkel von oben (also in Ruhe, mittags) sah ich, was zu ändern war: Ich würde früher aufstehen (eine halbe Stunde), würde am Abend vorher einige Dinge bereitstellen (Frühstückstisch, Brotdosen, Rücksäcke, Sportzeug für die Kinder, Arbeitstasche für mich) und ich verordnete mir eine Medienauszeit bis zur ersten Pause auf der Arbeit.
Und siehe da?
Es funktionierte. Nicht von heute auf morgen, sondern schrittweise.
Zuerst fiel der Stress am Morgen ab und damit der Zeitdruck, alles gleichzeitig erledigen zu wollen. Die Dinge standen bereit, Teekochen und Broteschmieren war schnell erledigt, Sportsachen an ihrem Platz. Wertvolle Minuten wurden auf einmal frei, etwa für eine Umarmung oder einen Witz. Dadurch merkten die Kinder, dass ich ruhiger wurde, und sie wurden es auch. Danach wurde mein Kopf noch freier, und meine Laune stieg, sogar schon vor dem ersten Tee. Und auf der Arbeit konnte ich mehr leisten, da ich das Gefühl hatte, bereits morgens eine Menge Zeit für mich, meine Familie und für meine eigenen Gedanken gehabt zu haben.
Heute ist meine Morgenroutine ein fester Bestandteil meines Tages:
Ich stehe auf, schreibe meist noch im Bett drei Dinge auf, für die ich dankbar bin (in mein Dankbarkeitsheft, das neben dem Bett liegt), füttere die Tiere, mache Tee- und gönne es mir, eine halbe Stunde aus dem Fenster zu schauen, ohne etwas zu müssen. Medien gehen nicht vor 9 Uhr an den Start, dh. mein Handy bleibt an seinem Platz, bis meine offizielle Arbeitszeit beginnt.
Nachdem ich mich von dem Gedanken befreit hatte, morgens stundenlang Yogasessions oder ausgiebige Läufe machen zu müssen (danke, Internet, für den zusätzlichen Leistungsdruck!), merkte ich, dass mir ein paar Übungen auf der Matte gut tun, dass ich aber eher einen ruhigen Start bevorzuge. Auch diese haben nun ihren Platz am Morgen, im Schlafanzug, auf dem Wohnzimmerboden.
Passt- für mich.
Mittlerweile sind meine Kinder groß, und ich brauche sie nicht mehr zu wecken oder Brote zu schmieren. Sie profitieren trotzdem auch noch von unserer erlernten Routine und haben einige Dinge für sich übernommen.
Das ist der Nebeneffekt von einer guten Routine: Wenn sie funktiniert, kann sie das Leben leichter machen, und du gibst deinen Kindern eine gute Technik an die Hand, die auch ihr Leben langfristig stressfreier machen kann.
Zu einfach? Zu viele Hindernisse in deinem Tag?
Natürlich, wir sind alle unterschiedlich. Bei ganz kleinen Kindern oder wenn ein Familienmitglied besondere Aufmerksamkeit braucht, kann es sein, dass die Schritte viel kleiner sein müssen. Oder dass deine Ich-Zeit am Abend stattfinden muss. Das ist okay.
Es geht schließlich nicht darum, ein weiteres Soll zu erfüllen, sondern dir mehr Zeit für Dinge zu geben, die dir gut tun. Und was genau das ist, und wann es stattfindet- das bestimmst ganz alleine du.
Wenn du mehr wissen willst oder neue Anregungen brauchst, schau doch in mein Buch: In „Alleinerziehend durch den Tag“ begleite ich dich Schritt für Schritt durch Morgen, Mittag und Abend und gebe dir Tipps, wie du stressfreier und mit mehr Selbstliebe deinen Alltag gestaltest. (Auch auf mögliche Hindernisse bei der Umsetzung gehe ich ein.) Sicher findest du etwas, was für dich passt.
Und bis dahin: Dir einen guten Start in deine Tage, wie auch immer du sie anfängst. Du schaffst das!