In letzter Zeit scheint in den Sozialen Medien eine Art „Endjahres-Hype“ um die längste ToDo Liste ausgebrochen zu sein. „Noch drei Monate bis Jahresende!“ schreit es da von vielen Websiten, gefolgt von Tipps und Tricks, wie du noch super effizient deine Verkaufszahlen steigerst, das letzte Jahresdrittel für den ultimativen Abschluss nutzt oder wie dein Traumpartner/deine Traumpartnerin sich noch vor dem Jahreswechsel in dich verknallt, damit du nicht arm und single unter dem Baum sitzt.
Besonders Alleinerziehende werden in diesen Tagen dazu aufgefordert, sich doch endlich „auf den Weg zu machen“ und ihre „Sachen zu klären“:
Ob in Bezug auf das eigene Geld, die eigene weibliche Altersvorsorge, die perfekte Kinderbetreuung oder den Traummenschen, der endlich ins Leben treten soll… da wird mit Angstgedanken gearbeitet, die als auf jeden Fall eintreffende Realität verkauft werden… Altersarmut, Einsamkeit und schlecht erzogene Kinder winken, wenn du nichts tust … aber natürlich existiert dank zielgerichteter Seminare und hilfreicher Anleitungen aus dem Netz eine (natürlich nicht kostenfreie) Lösung für genau dein Problem.
Obwohl ich als Coachin mein Geld verdiene und auch Seminare anbiete, in denen es um Problemlösungen geht, läuft es mir kalt den Rücken hinunter bei so viel Realitätsferne.
Deine Realität ist… DEINE Realität
Ja, Alleinerziehende sind statistisch von Armut bedroht dank Gender Pay- und Gender Care Gap und dank althergebrachter Rollenmuster.
Ja, Alleinerziehende brauchen eine gute und stabile Kinderbetreuung, damit sie Existenz sichernd arbeiten gehen können.
Und ja, es ist im Zweifelsfall ziemlich nett, wenn es jemanden in deinem Leben gibt, an den/die du dich auch mal anlehnen kannst, oder mit dem/der zumindest die überteuerten Mietkosten geteilt werden können.
Trotzdem darfst du immer noch selbst bewerten, wo du stehst, wie es dir damit geht und wohin du dich (wenn überhaupt) aufmachen willst. Abstrus finde ich vor Allem den Gedanken, dass du alles gleichzeitig lösen sollst und dass deine Gefühle bei all diesen Verkaufsmaschen keine Rolle zu spielen scheinen. Kommt mir irgendwie bekannt vor….
Das emotionslose Erfüllen eines von Außen festgeschriebenen Solls, das als Standard der Gesellschaft gilt, ist der direkte Weg in die Überforderung, also in den Burnout
Was kannst du also tun? Sollst du die Warnungen in den Wind schlagen? Dich isolieren und deinen Medienkonsum reduzieren? Dich deinem Schicksal ergeben und nur noch Kompromisse machen? In den Wald ziehen und nur noch Mantras chanten?
Sicher nicht. (Obwohl ein entschleunigtes Leben in Spiritualität sicher dabei helfen kann, runterzukommen und die wichtigen Dinge deines Lebens zu identifizieren.)
Ich habe hier ein paar Alternativvorschläge für dich, die dich, statt noch schneller im Hamsterrad zu laufen, als Alleinerziehende entlasten können, dich innerlich stärken und deinen Blick auf dich zurück lenken. Wenn andere von Außen dir sagen wollen, was du wann und wie zu tun hast, hast du immer noch selbst die Wahl, eigene Entscheidungen zu treffen, die gut für dich, deine persönliche Welt und deine Gesundheit sind. Ich gehe davon aus, dass du schon dein Bestes gibst- das Beste, das du in diesem Moment geben kannst, mit den dir dafür zur Verfügung stehenden Mitteln. Trotzdem können ein paar Zusatzvorschläge nicht schaden.
Los gehts!
- Werde dir deiner Situation bewusst: Wo stehst du? Wo willst du hin? Was sind deine Ziele? Was brauchst du, um mit deinen Kindern gut und entspannt leben zu können? Male dir im Geiste so richtig dein Traumleben aus und vergleiche (liebevoll!), wo du auf dem Weg dorthin stehst. Dann überlege dir den nächsten kleinen Schritt in deine mega Zukunft und gehe ihn.
- Stell die Anforderungen des Außen in Frage: Warum will dir jemand seine Altersvorsorge aufschwatzen? Geht es wirklich darum, dass du dich als Frau über Geld informieren sollst? Super, gerne her damit. Geht es nur um den Verkauf eines „speziell für Frauen“ hergestellten Produkts, das deine Angst, im Alter nicht genug zu haben, ausnutzt um zu verkaufen? Ab auf die Warteliste damit.
- Erstelle eine Warteliste: Notiere dir Erwartungen, Angebote, Anforderungen und ToDos auf einer großen Liste und behandele sie nach dem System W: Was kann warten? Wie lange? Wer kann es noch tun? Ist es wichtig? Am Ende solltest du mindestens die Hälfte als eher weniger wichtig kategorisiert haben und dein Kopf sollte freier sein.
- Besorg dir ein Netzwerk! Hier steht ein klares Ausrufezeichen dahinter, denn du sollst und musst dein Leben nicht alleine wuppen. Beste Freundin, Mutter, Ex, Beratungsstelle, KiTa, Telefonseelsorge, Betreuungsnotdienst, Chatforum, Pflegestützpunkt… was auch immer Beratung, Entlastung und tatkräftige Unterstützung anbietet, kommt auf einen Zettel. Am besten mit Telefonnummer und Öffnungszeiten an den Kühlschrank. Du kannst auch auflisten, wer was anbietet (Bringt und holt Kind ab, kocht auf Vorrat, fährt Einkäufe nach Hause, wenn es schwer wird, 24-Std-Ansprechperson…) Wenn alles über dir zusammenbricht, kannst du zielgerichtet nach dem suchen, was du brauchst und musst nicht bei Null anfangen zu überlegen.
- Mein Tipp: Denk auch um die Ecke. Du brauchst neue Klamotten für die Kinder, aber das Geld ist knapp? Such dir eine Klamottenpatenschaft in der KiTa. Sprich die Mama eines Kindes mit ähnlicher Statur wie deinem an und frage, ob ihr euch einig werden könnt. Sie wird ihre Kindersachen los und du weißt, es gibt eine günstige Methode, um Nachschub zu erwerben. Im besten Falle bekommst du eine Freundschaft zu den Kindersachen dazu oder wirst zum Rollenmodell fürs Tauschen. Du kannst auch andere in einer ähnlichen Situation fragen, was sie tun, damit es besser wird. Oft sind tolle Ideen dabei, auf die du selbst noch nicht kommst, weil du zu tief drin steckst.
- Gib dich nicht auf. Ja, die Zeiten sind vielleicht nicht optimal. Du gehst arbeiten, betreust dein Kind, hast ggf. einen Sorgerechtsstreit zu führen oder haderst mit der Trennung. Ja, das sind viele Baustellen, und alle wollen gleichzeitig deine Aufmerksamkeit. Vom Tagesgeschäft als Mutter mal abgesehen. Umso wichtiger ist es, dass du Zeit für dich einplanst. Ob du dir einen Roman aus der Bücherei ausleihst und den immer bei langen Busfahrten liest, oder ob du Me-Time auf der Couch als Abendritual feierst- du musst es dir gutgehen lassen. Jeden. Tag. Nur so kannst du langfristig deine Batterien voll halten.
Na, war etwas für dich dabei? Du kannst durch einige kleine Änderungen im Alltag dem Burnout entkommen.
Wenn du dich nun fragst, womit du anfangen sollst, gebe ich dir eine klare Antwort: Bei dir
Nimm dir regelmäßig kleine Happen an Zeit, um genau hinzuschauen, was und wer dir die Energie raubt. Zu viele Newsletter, die du nicht liest? Bestell sie ab. Nachbarn, die über den Kinderwagen im Hausflur meckern? Kläre dein Recht mit der Hausverwaltung und hänge das Schreiben auf. Deine Haare sind in einem unguten Zustand? Plane einen Friseurbesuch in deinem Budget genauso fest ein wie die neuen Kinderschuhe und mache es möglich.
Du bist die Herrin über deinen Alltag. Lass dir nichts anderes verkaufen.
Anmerkung: Wenn du merkst, dass dir diese Tipps nicht mehr helfen oder du bereits weit, weit über deine Belastungsgrenze hinaus bist, sei ehrlich zu dir und such dir bitte professionelle Unterstützung. Es ist keine Schande, sich Hilfe zu holen. Deine Hausärztin/dein Hausarzt ist die erste Ansprechperson für deine Heilung auf körperlicher und geistiger Ebene. Das Jugendamt deiner Stadt hilft dir, wenn du Fragen in Sachen Erziehung und Trennung/Scheidung hast. Sei es dir wert, dir helfen zu lassen- auch für deine Kinder.