Weltfrauentag. Kampftag für Gerechtigkeit.
Die Worte lösen in diesem Jahr eine Beklemmnis in mir aus, die ich sonst nicht gekannt habe. Kämpfen. Druck. Gegendruck.
Ich merke, wie müde es mich macht, immer wieder zum Kämpfen aufgefordert zu werden.
Haben wir nicht genug gekämpft? Und kämpfen wir nicht jeden verdammten Tag?
Im Homeschooling, beim Versuch, den Alltag zu bezwingen, mit der endlosen Wäscheroutine und in der Versorgung der Alten und Kranken? In den Fabriken und auf den Straßen, zu einem Hungerlohn?
Ausgebeutet und überfrachtet und vergessen: Frauen sind überall dort zuhause, wo es etwas zu tun gibt, für das es weder ausreichend Dank noch ausreichend Lohn gibt. Und viele von uns sagen, das gehört doch so, es fühlt sich doch so gut an, zu helfen, zu dienen, zu verhandeln, zu geben.
Tut es das wirklich?
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Antwort nicht einfach ja oder nein ist.
Wenn ich mir ansehe, zu welchen Opfern Frauen immer noch bereit sind, muss ich anerkennen, dass es wohl einen guten Grund geben muss, um so viel von sich aufzugeben, um Anderen zu helfen, sie zu unterstützen, ihnen zu dienen.
Denn sonst würde frau es doch nicht tun, oder?
Sonst würden sie doch ihre eigenen Ziele verfolgen, reich werden oder berühmt, anstatt Säuglingspopos zu waschen oder sich einen Betongarten zuzulegen, oder sie würden doch zumindest einmal darüber nachdenken, wie es jetzt wohl wäre, zu reisen und einmal nicht alle 5 Minuten einen Ruf oder eine Aufforderung zu hören von denen, für die sie so viel aufgeben haben.
Ist das ein ketzerischer Gedanke?
Ketzerisch, weil er Frauen noch einen anderen Sinn zuspricht, ketzerisch so wie damals, im Mittelalter? Die Inquisition erfolgt heute nicht mehr nur unbedingt über machthabenede Männer (in vielen Teilen der Welt aber doch). Ich bemerke auch, dass die Kritik an alternativen Lebensideen auch aus den eigenen, weiblichen Reihen zunimmt, und dass Solidarität unter Frauen gerade eben noch nicht selbstverständlich ist.
Selbstverwirklichung als Revolution?
Da sind die Gespräche auf dem Spielplatz, das Hinter-Vorgehaltener-Hand-Geflüstere, die gereckten Hälse oder einfach die offene Abwertung, wenn frau sich traut, einen neuen Weg zu gehen. Echt jetzt, wie kann die nur? Was bildet die sich ein?
Ich sehe in den Beratungen eine Zunahme an Hilflosigkeit, die sich darin ausdrückt, dass Frauen gar nicht mehr wissen, wohin mit ihren Plänen, da sie von der besten Freundin belächelt werden oder gar verraten und angeschwärzt. Selbstständig arbeiten und eigenes Geld verdienen, mit Kindern und Alleinerziehend- ich habe die Ausgrenzung live und in Farbe erlebt. Von „Freundinnen“, die mir rieten, cih solle mir doch einen sicheren Job suchen. Von Familienmitgliedern, die unkten, nach einer Phase des Reinfalls würde ich schon wieder zurückkommen, zurück in die „Realität“.
Zuspruch? Fehlanzeige.
Wer traut sich bei diesem Gegenwind dann schon zu sagen: “Das habe ich mir anders vorgestellt”, und meint damit das Muttersein, das Ehefrausein, das Leben in vollem Konsum. Wenige, aber es gibt sie doch.
Und diese wenigen machen mir Hoffnung:
- Hoffnung darauf, dass ich nicht kämpfen muss GEGEN, sondern mich entscheiden darf FÜR.
- Dafür, meine eigene Lebensrealität mitzugestalten. Situationen zu verlassen, die nicht gut für mich sind, sei es finanziell oder seelisch oder emotional.
- Dafür, meinen Traum zu leben, wie klein er auch sein mag, in einem Blumentopf eine neue Welt zu pflanzen oder in den Sternen eine neue Zukunft zu sehen.
- Dafür, dran zu glauben, dass ich als Frau, mit meinen Kindern, und genauso auch völlig ohne Kinder, ein gutes und stressfreies Leben verdient habe, dass ich mich nicht der Maschine opfern muss, um zu leben, um überhaupt eine Daseinsberechtigung zu haben, um überhaupt sein zu dürfen.
- Dafür, dass ich Unterstützung erhalte, auch von Frauen, die den Weg schon gegangen sind, oder ihn noch gehen werden und mit mir erfahren wollen, wie das denn nun eigentlich geht, dieses Glücklichsein.
Wenn ich solche Träume aufschreibe, höre ich schon von selbst die Stimmen, die schreien: Ja aber! Es ist eine priviligierte Sicht, die du da hast! Schäm dich! Sieh deinen blinden Fleck und geh zurück in dein Erdloch! Zuerst müssen alle gerettet sein! Dann darfst du glücklich sein!
Dazu sage ich NEIN.
Ich darf jetzt glücklich sein, auch wenn die Schwestern noch leiden. Auch wenn es noch Gewalt gibt, und Opfer, und M(achtm)issbrauch. Ich darf JETZT SOFORT glücklich sein, denn wenn ich es nicht bin, muss ich auch kämpfen, und dann bleibt die Hoffnung auf der Strecke.
Ohne Hoffnung aber gibt es keine Liebe. Und ohne Liebe, ja ohne Liebe gibt es überhaupt nichts Gutes.
Wie sollen die blinden Flecken geheilt werden ohne Liebe? Wie soll ich heilen, wenn ich kämpfen soll? Das geht nicht gut zusammen.
Ich entscheide mich daher, aus dem Machtkampf auszusteigen und meine privilegierte Position zu nutzen, um ein Vorbild zu sein für diejenigen, die es nicht so gut haben.
Ich entscheide mich, meine Stimme zu nutzen, den kleinen Flecken meiner Welt ein Stückchen wärmer zu gestalten und mich von Kampf und Machtmissbrauch und Ungerechtigkeit abzuwenden. Ohne diejenigen überzeugen zu wollen, die diese Ungerechtigkeit ausüben. Ohne mich weiter zu verstricken.
Sondern einfach indem ich anerkenne, dass mir dieses Angebot gemacht wird, dass ich natürlich einsteigen kann, dass ich mich auf Drohnungen und Angst einlassen kann- und dann zu wählen, es NICHT zu tun.
Ich kann mich annehmen, wie ich bin, und kann aufhören, um Erlaubnis zu bitten oder andere davon überzeugen zu wollen, dass es OKAY ist, wie ich bin.
Sobald ich in diesen Überzeugungs-Kampf gehe, gewinnt die Angst. Sobald ich wähle, für mich und meine Erfüllung zu hoffen, gewinnt die Liebe.
So alt ist dieses Märchen, dass es in jeder Frau, in jedem Menschen inegraviert ist. Wir alle kennen den Text auswendig, aber manche Worte scheinen wir in ihrer Bedeutung vergessen zu haben:
Ich KANN.
Ich DARF.
Ich WILL.
Ich WERDE.
Ohne Drohung ausgesprochen, sind das mächtige Werkzeuge, die uns in unsere Präsenz bringen. Und genau in dieser Präsenz findet die Heilung statt, die so viele Menschen auf der Welt brauchen.
Zum diesjährigen Weltfrauentag schenke ich mir und damit allen Anderen Präsenz. Es ist noch nicht zu spät: Ich erkenne den Weg an, den ich gegangen bin, und erfülle die Träume, die in mir reifen durften, und gehe den Weg weiter.
Wenn alle das tun, öffnen sich Türen, und Frieden tritt ein.
Für ALLE.