Strategien in der Krise

Disclaimer: Ich biete keine Akutberatung an. Dieser Artikel dient als Anregung zum Weiterdenken. Wenn du oder deine Kinder von Gewalt in Beziehungen betroffen sind, wende dich bitte an das Jugendamt deiner Stadt oder an die Polizei. Du erhälst auch Informationen und Hilfe bei den Interventionsstellen, Frauenhäusern und Frauennotrufen in Rheinland-Pfalz. Im Zweifel und bei akuter Belastung befrage für weitere konkrete Maßnahmen bitte eine Person aus dem Gesundheitswesen (Hausarztpraxis, Psychologin, ärztlicher Notdienst, Rettungsdienst, Beratungsstelle) oder aus deiner Stadt oder Gemeinde.

Globale politische Entwicklungen und die (fehlende) Reaktion der Gesetzgebung auf diese können hilflos machen. Ebenso können Veränderungen in der Familie (Jobverlust, Trennung, Verlust eines Angehörigen) dazu führen, dass deine Welt Kopf steht. Möglicherweise zeigen sich Angst und Ohnmachtsgefühle, die dich beschäftigen. Vielleicht hast du auch akut Angst vor unklaren Folgen der veränderten Situation für dich, deine Familie und die Gesellschaft.

Diese Angst ist zutiefst menschlich, aber sie kann auch lähmen, wenn sie zu stark wird.

In Krisenzeiten hilft alles, was gut gegen Stress hilft und Resilienz aufbaut. Wenn du Ängste hast, nimm diese im ersten Schritt wahr. Es ist normal, dass du tief fühlst, wenn du unsicher bist. Dann komm zurück ins Handeln.

Jetzt gilt es, die Situation realistisch einzuschätzen: Ordne möglichst faktisch ein, um was es geht. Dann kannst du dich fragen, wie du die Lage bewertest, welche Informationen dir noch fehlen und welche Herausforderungen du wahrnimmst. Atme bei alledem tief durch.

Hier sind einige Ideen zum Umgang in Krisen.

  1. Atem als Notfallanker
    • 4 Sekunden einatmen → 4 Sekunden halten → 6 Sekunden ausatmen → 2 Sekunden Pause → wiederholen 5–10x.
    • Wirkung: senkt Herzschlag, reduziert Panik.
  2. Körper erden
    • Füße fest auf den Boden, spüre Gewicht.
    • Hände auf Oberschenkel oder Tisch legen, bewusst die Textur spüren.
    • Ziel: Angst wird im Körper spürbar, statt nur im Kopf zu sein.
  3. Gedanken verlangsamen
    • Schreibe alle Ängste auf Papier.
    • Analysiere jede: Kann ich jetzt etwas daran ändern? → Wenn nein, „abgeben“ oder symbolisch in einen Kasten legen.
  • Kognitive Restrukturierung/ Deine Gedanken klären: Angst lebt in starken, negativen Gedanken über Vergangenheit und Zukunft. Das heißt, du gehst von einer möglichst unvorteilhaften Zukunft aus, die dein Gehirn aus emotional gefärbten Informationen gebastelt hat. Setze dich hin, spüre den Boden unter dir, atme bewusst ein und aus. Sage dir innerlich: „Ich bin jetzt hier. Ich kann etwas tun.“ Beobachte deine gedanken, aber lass sie auch weiterziehen. Sag dir positive Sätze und stärke dich selbst. „Auch das wird vorübergehen.“ „Ich bin sicher.“
  • Radikale Präsenz: Richte die Aufmerksamkeit auf das, was unmittelbar da ist: Den Klang eines Vogels, das Licht im Raum, den Geschmack deines Tees. Das trennt dich von Katastrophengedanken.
  • Bilder der Weichheit: Stelle dir vor, du bist wie Wasser: flexibel, unzerstörbar, immer im Fluss. Angst verhärtet – Weichheit löst sie.
  • Nicht füttern, was dich stresst: Konsumiere Nachrichten bewusst, nicht ständig. Bestimme feste Zeitfenster statt Dauer-Scrolling. Informiere dich aus sachlichen Quellen und beschränke die Information auf das Wesentliche. Fokussiere dich auf Handlungen, die Sinn geben, nicht nur auf Bedrohungen.
  • Positive News: Suche die Nachrichten, die dich ermutigen. Finde einen Überschuss an positiven Nachrichten, die dir Kraft geben.
  • Akzeptanz statt Kampf: Angst wird größer, wenn man sie wegdrücken will. Lade sie ein, kurz bei dir zu sein – und beobachte, wie sie auch wieder geht. Die Angst selbst ist nicht schlimm, sie sagt dir nur, dass dir etwas wichtig ist und du dir Schutz wünschst.
  • Selbstreflexion: Frage dich, wo du mit dir noch im Unfrieden bist. Arbeite an diesem Unfrieden und mache die Welt durch dich zu einem friedvolleren Ort, dort wo du jetzt bist.
  • Gemeinschaft suchen: Sprich deine Sorgen aus – Angst löst sich, wenn sie geteilt wird. Suche starke, auch professionelle, Ansprechpersonen auf.
  • Feiere friedvolle Rituale mit Familie oder Freunden: Kerze anzünden, gemeinsam schweigen, kleine Hoffnungs-Gebete oder Dankbarkeitsrunden.
  • Handeln statt Ohnmacht: Spende, hilf in deiner Nachbarschaft, engagiere dich im Kleinen. Baue Tomaten auf dem Balkon an. Veranstalte einen Sit-In und singe Friedenslieder. Erstelle eine Resilienzliste für deine Website. Aktivität verwandelt Angst in Kraft.
  • Natur als Lehrerin: Gehe in den Wald, schaue auf Bäume oder Wasser. Alles zeigt: Veränderung ist Teil des Lebens, und dennoch gibt es Kontinuität. Mache dich mit den Tieren und Pflanzen in deiner Umgebung vertraut. Lerne, was essbar ist und lerne die Wildkräuter kennen. Ruhe dich an einem Baum aus. Sieh einem Vogel zu und fliege gedanklich mit ihm.
  • Erde deinen Körper: Yoga, Qi Gong oder Barfußlaufen helfen, Spannungen aus der Angst abzubauen.
  • Baue Spannung durch schweres Tragen, kräftiges Putzen oder einen schnellen Spaziergang um den Block ab. Putze den Fußboden mit einem Handlappen und strenge dich richtig an. Dein Körper kann so die festgehaltene Spannung abbauen- und du hast etwas für ein ordentliches und schönes Zuhause getan.

Konkrete, nüchterne Maßnahmen, die dir und deiner Familie helfen können, mit möglichen Krisen umzugehen, können ebenso hilfreich sein. Gute und stabile Abläufe im Alltag zu etablieren, hilft dir, innere Sicherheit zu erlangen und ansprechbar für die Anforderungen im Tagesverlauf zu bleiben.

  • Handeln statt Grübeln: Aktiv werden (z. B. Erste-Hilfe-Kurs, Nachbarschaftshilfe). Das Gefühl, vorbereitet zu sein, reduziert Ohnmacht.
  • Deine Gemeinschaft stärken: Dich in der Familie und Nachbarschaft, in der Kommune oder Stadt, für dein Herzensprojekt einbringen und ins Handeln kommen. Eigene Tomaten pflanzen oder der Nachbarin die Post bringen verstärkt dein Gefühl der Vernetzung und Kontrolle im Alltag.
  • Finanzielle Reserven bereithalten und ausbauen: Je unabhängiger du finanziell bist, umso schneller kannst du in einem Akutfall reagieren. Besonders als Frau, die in einer unsicheren Beziehung ist, kann eigenes Geld sicherheitsbildend sein.
  • Dich beruflich auf dem neuesten Stand halten: Sorgt nicht nur für gute Aufstiegsschancen, sondern macht dich auch beruflich flexibel.
  • Cyber-Resilienz: Dich mit technischen Entwicklungen vertraut machen. Dazulernen. Alle Geräte regelmäßig aktualisieren. Wichtige Daten (Fotos, Dokumente) doppelt sichern – Cloud und externe Festplatte. Für wichtige Konten (Mail, Bank, Cloud) Einmal-Passwörter (2FA) einschalten. Passwort-Manager nutzen, keine Wiederholungen.
  • Informations-Hygiene: Nachrichten bewusst konsumieren, 1–2 verlässliche Quellen wählen (z. B. öffentlich-rechtlich, etablierte Qualitätszeitungen). Keine Dauerbeschallung – feste Zeiten zum Nachrichtenlesen festlegen. Faktenchecks nutzen. Gerüchte/Extremmeldungen kritisch prüfen, bevor man sie weitergibt.
  • Praktische Vorsorge im Alltag: Notfall-Basisvorrat vorrätig halten, Trinkwasser & haltbare Lebensmittel für ca. 7–10 Tage pro Person. Haustierfutter und Medikamente nicht vergessen. Kleine Hausapotheke, Taschenlampe, Powerbank aufladen. Etwas zu Essen im Haus haben, falls du krank bist, das schnell zubereitet werden kann, ohne das Haus zu verlassen.
  • Eine allgemeine Katastrophenvorsorge (Stromausfall, Sturm etc.) für deinen Haushalt planen: Kerzen haben und wissen, wo du wichtige Dokumente gelagert hast. Einen Kontaktplan für Familie erstellen, falls in einer Krise (Überschwemmung, Hochwasser) die Handynetze ausfallen, Treffpunkt oder Telefonnummer außerhalb der Region festlegen. Wichtige Nummern auswendig lernen.

Frage dich insgesamt, wen du um Unterstützung bitten kannst, um mit deinen Ängsten/Herausforderungen umzugehen. Baue dein Kontaktsystem schrittweise aus, lerne deine Nachbarschaft kennen. Biete, wenn du kannst, auch selbst Hilfe und Unterstützung an. Kein Mensch ist eine Insel.

Dein professionelles Helfer:innensystem (Hausärztin, Beratungsstelle, Telefonseelsorge) kann dir konkrete weitere Schritte nennen, um aus dem Ohnmachts- und Angstgefühl auszusteigen. Du kannst auch alle Techniken anwenden, die dir im Umgang mit Stress hilfreich erscheinen.

In meinem Podcast erfährst du viele weitere hilfreiche Informationen zur Stressbewältigung. Wenn du Krisenbewältigung im professionellen Umfeld lernen willst, ist mein Seminar zur „Psychischen Ersten Hilfe am Arbeitsplatz“ vielleicht das Richtige für dich.